Teil 3: Von A nach B kommen [Progression]

~3000 Wörter; 8-12 Minuten Lesezeit.

Autor: Lukas Buschkühl

Zusammenfassung

  • Die meisten Einsteiger bleiben weit unter ihren Möglichkeiten, da sie nach kurzer Zeit nicht mehr trainieren, sondern nur noch zum Sport gehen. Wirkliches Training bleibt gefühlt immer gleich schwer, obwohl du immer leistungsfähiger und widerstandsfähiger wirst.
  • Unser Körper ist darauf ausgelegt, so wenig Energie wie möglich zu verschwenden. Deswegen sind wir faul und deswegen ist es so schwer, stark und muskulös zu werden.
  • 'Paralysis by Analysis' ist die Handlungsunfähigkeit durch übermäßiges Lernen, Planen und Überlegen. Wenn du diesen Guide bis hier her gelesen hast, dann gehörst du vermutlich zu der durch dieses Phänomen gefährdeten Personengruppe.
  • Die wichtigen Stellschrauben der Trainingsbelastungssteuerung sind bekannt. Wir haben einen großen Pool an Daten, welche Einstellung der Stellschrauben in den meisten Fällen für die meisten Lifter produktive Belastung erzeugt und weshalb.
  • Eine Sache, die alle erfolgreichen Sportler gemein haben, ist die Führung eines Trainingstagebuchs. Wenn du langfristig erfolgreich sein willst, wirst du nicht darum herumkommen.
  • Grundsätzlich bergen spezifische Zahlen als Zielsetzung gewisse Risiken, während du mit dem Ziel, deine Gewohnheiten zu verbessern, kaum etwas falsch machen kannst.

Es gibt niemals einen guten Grund für Stagnation

Wenn du schon einmal eine Zeit lang trainiert hast, ohne zu wissen, worauf es dabei ankommt, dann wirst du folgende Erfahrung gemacht haben: Dein Körper hat sich drei bis zwölf Wochen lang verändert. Dann war der Spaß auch schon wieder vorbei. Das bedeutet, du hast drei bis zwölf Wochen lang trainiert und bist danach nur noch zum Sport gegangen.

 

 

'Zum Sport gehen' und 'Training' sind nicht das Gleiche.

 

 

'Training' bedeutet, dass sich deine tatsächliche Leistungfähigkeit oder mindestens deine potentielle Leistungsfähigkeit erhöht. Da dein Körper eine Abbildung deiner Leistungsfähigkeit ist, verändert sich dein Körper nur so lange, wie sich deine Leistungsfähigkeit verbessert. Die Aussage 'meine Leistung ist mir egal, ich will nur besser aussehen' ist unsinnig.

 

'Zum Sport gehen' bedeutet, dass du ins Gym gehst, um dort deine Übungen zu machen. Wenn du immer das Gleiche machst, ist die Trainingsbelastung schnell nicht mehr hoch genug, um eine Menge an Erschöpfung zu erzeugen, die hoch genug ist, deinen Körper zu weiteren Anpassungen zu zwingen. Du stagnierst. Sobald du dich an eine Belastung gewöhnt hast und beim Gewohnten bleibst, ist nichts Neues mehr zu erwarten.

Training vs Zum Sport Gehen

»Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.«

Die blaue Linie ist dein genetisches Potential. Die mögliche Leistungsfähigkeit, die deine Genetik bei optimalem Training theoretisch hergäbe. Dein genetisches Potential fällt ab deinem 25. Lebensjahr mit fortlaufender Zeit durch Alterungsprozesse langsam stetig ab.

 

Die rote Kurve zeigt deine tatsächliche Leistungsfähigkeit zu einem gegebenen Zeitpunkt in deiner Trainingskarriere an. Durch intelligentes Erschöpfungsmanagements kannst du innerhalb von fünf Jahren etwa 95% deines Potentials verwirklichen. Der sehr schnelle Anstieg dieser Kurve zu Beginn wird 'Einsteiger Effekt' genannt und ist der Grund dafür, dass sich 10 Wochen Programme so gut verkaufen.

 

Die meisten Einsteiger bleiben allerdings weit unter ihren Möglichkeiten, da sie nach kurzer Zeit nur noch zum Sport gehen. Das wird durch die grüne Kurve dargestellt. Die meisten von uns haben selbst schon mal erlebt, dass aus 'Training' innerhalb kurzer Zeit 'zum Sport gehen' wird. Die Gründe dafür sind vielfältig. Ganz oben auf der Liste steht nicht nur Faulheit sondern vor allem auch die Unwissenheit darüber, worauf es im Training wirklich ankommt, also wie intelligentes Erschöpfungsmanagement in der Praxis aussieht:

  • Wenn du Fortschritte machen willst, muss dein Training eine Menge an Belastung erzeugen, die höher ist als dein aktueller Belastungswiderstand. Denn nur so ein Maß an Belastung führt zu einer Menge an Erschöpfung, die groß genug ist, dass dein Körper zu einer Anpassung hin zu mehr Belastungswiderstand gezwungen wird.
  • Sobald dein Körper sich angepasst hat, du also widerstandsfähiger geworden bist, reicht deine gewohnte Trainingsbelastung nicht mehr aus, um den für weitere Anpassungen notwendigen Grad an Erschöpfung zu erzeugen.
  • Um die nächste Anpassung zu erzwingen, musst du wieder das vorherige Erschöpfungslevel erreichen. Das ist nur möglich, indem du die Trainingsbelastung erhöhst. Das bedeutet, dass dein Training gefühlt immer gleich schwer bleibt, obwohl du immer leistungsfähiger und widerstandsfähiger wirst.

Dein Körper verändert sich nur dann, wenn er unbedingt muss.

Wir haben uns innerhalb der letzten 2,6 Millionen Jahre nicht daran angepasst, so auszusehen, wie wir es gerne hätten. Wir sind darauf ausgelegt, zu überleben. Das Nahrungsangebot ist erst seit einigen Jahrzehnten nicht mehr stark begrenzt. Überleben bedeutete 2,6 Millionen Jahre lang hauptsächlich, Energie zu sparen.

 

Unser Körper ist darauf ausgelegt, so wenig Energie wie möglich zu verschwenden. Das ist übrigens auch der Grund dafür, dass nahezu jeder Mensch den inneren Schweinehund in sich trägt und sich um jede Art von Anstrengung drückt, wenn es möglich ist.

 

Ein fitter Körper ist widerstandsfähiger als ein nicht-fitter Körper. Du bezahlst für diese höhere Widerstandsfähigkeit mit einem erhöhter Energieverbrauch. Jede Anpassung deines Körpers hin zu mehr Leistungsfähigkeit, beispielsweise durch den Aufbau zusätzlicher Muskulatur, kostet Energie. Da dein Körper ein Energiesparer ist, erhöht er seine Leistungsfähigkeit nur dann, wenn er gezwungen wird. Da wir inzwischen nicht mehr durch äußere Umstände gezwungen werden, müssen wir uns selber zwingen. Deswegen sind die meisten von uns nicht fit.

 

Du hast hierzulande die Möglichkeit, jeden Tag den ganzen Tag am Schreibtisch, im Auto, im Fahrstuhl und auf deinem Sofa zu verbringen. Nur wenn du die bewusste Entscheidung triffst, deinen Körper Belastungen auszusetzen, wird sich etwas verändern. Dafür reicht nicht jede beliebige Belastung. Die Belastung muss so hoch sein, dass sie das für eine Anpassung notwendige Maß an Erschöpfung erzeugt.

 

 

Dein Körper muss die Bedrohung durch die Belastung als gefährlicher interpretieren als die Bedrohung durch den erhöhten Energieverbrauch der Anpassung.

 

 

Wenn du so schnell rennst, wie du kannst, geht dein Körper davon aus, dass du das nicht zum Spaß machst. Dein Körper geht davon aus, dass du entweder vor etwas davonrennst, das dich fressen könnte, oder etwas hinterherrennst, dass du essen musst, um nicht zu verhungern. Also passt sich dein Körper an, um dich in Zukunft noch schneller laufen zu lassen und so dein Überleben zu sichern.

Training ist simpel und schwer.

Wir sind von Natur aus faul. Deswegen wird für uns aus Training so schnell nur noch zum Sport gehen. Bleiben wir beim Beispiel des Weg- und Hinterherrennens. Du bist ein paar Mal so schnell gelaufen, wie du es zu diesem Zeitpunkt konntest und hast, der Einfachheit halber, genau 400 Meter in genau drei Minuten geschafft.

 

Die Belastung war für dich ungewohnt hoch, du warst nach dem Laufen ausreichend erschöpft und dein Körper hat sich angepasst. Durch die Anpassung kannst du jetzt etwas schneller und etwas länger laufen als vorher. Wenn du im nächsten Training wieder genau 400 Meter in genau drei Minuten läufst, gibt es für deinen Körper keinen Grund, sich weiter anzupassen. Für die nächste Anpassung müsstest du:

  • Im gleichen Tempo (2,22 Meter pro Sekunde) eine längere Strecke als 400 Meter laufen.
  • Die 400 Meter in unter drei Minuten laufen. Also schneller als 2,22 Meter pro Sekunde.
  • Mehrere Läufe machen. Beispielsweise zwei Mal 400 Meter in jeweils drei Minuten.

Simpler geht es kaum und doch scheitern daran die Allermeisten. Denn dieses Schema langfristig aufrecht zu erhalten, fordert Disziplin und Durchhaltevermögen. Du fängst an, nach einem Plan aus dem Internet auf eigene Faust zu trainieren. Du profitierst vom Einsteiger Effekt. Die Belastung ist ungewohnt hoch und erzeugt dadurch eine für dich effektive Dosis an Erschöpfung. Du machst zunächst Fortschritte, egal, wie viele Fehler du in deinem Training machst.

 

Nach einigen Wochen hat sich dein Körper angepasst. Du bleibst bei deinem Trainingsplan und stagnierst. Die gleiche Belastung, die vor wenigen Wochen noch hoch genug war, erschöpft dich nun nicht mehr. Die meisten bleiben noch eine ganze Weile bei ihrem Plan, ohne weitere Fortschritte zu machen und suchen sich dann entweder einen völlig anderen, neuen Trainingsplan, oder geben sich mit Stagnation zufrieden, oder geben auf.

Weshalb sich Zehn Wochen Programme so gut verkaufen

Zehn Wochen Programme sind in der Fitnessbranche so beliebt, weil sie für Einsteiger einfach immer funktionieren. Das liegt nicht am Programm selbst, sondern schlicht und einfach daran, dass innerhalb der ersten paar Monate jede Trainingsbelastung hoch genug ist, um die für die ersten Anpassungen ausreichende Dosis Erschöpfung zu erzeugen.

 

Egal, welcher Einsteiger das Programm kauft - er hat als Einsteiger per Definition noch nie strukturiert trainiert. Es ist so gut wie unmöglich, einen kompletten Einsteiger daran zu hindern, Fortschritte zu machen. Die Kompetenz desjenigen, der das Trainingsprogramm geschrieben hat, ist nahezu unerheblich. Das ist ein bisschen wie mit Pizza. Egal, wie inkompetent der Pizzabäcker ist, die Pizza wird immer zumindest halbwegs schmecken, weil es nahezu unmöglich ist, eine Salz-Fett-Kohlenhydrat Bombe schlecht schmecken zu lassen. Zugegeben, manch ein Lieferservice schafft es trotzdem, doch es soll auch immer wieder vorkommen, dass ein Trainer es nicht schafft, einen Einsteiger zum Wachsen zu bringen.

 

Sobald du am Ende des Zehn Wochen Programms stagnierst, sagen die Experten, die dir das Programm verkauft haben, dass sie nun nicht mehr zuständig sind, da du inzwischen ja kein Einsteiger mehr seist und deshalb nur noch mit persönlicher Betreuung weiterkämst. Das stimmt schlicht und einfach nicht. Es ist zwar richtig, dass du dich ab diesem Punkt nicht mehr auf Trainingspläne von der Stange verlassen kannst, aber anstatt einen Coach zu engagieren, der deine Trainingsplanung für dich übernimmt, kannst du das auch in die eigene Hand nehmen. Worauf es wirklich ankommt, um deine Ziele zu erreichen, ist nicht so kompliziert, dass du es nicht lernen könntest.

Von Bauern und ihren Kartoffeln: Wie kompliziert ist es, herauszufinden, worauf es wirklich ankommt?

Wenn du Fitnessforen, -Blogs oder -Magazine verfolgst, wirst du schnell den Eindruck bekommen, Training sei unglaublich kompliziert: Massephase, Diätphase, Periodisierung, Dropsets, Hypertrophiebereich, Maximalkraft, Supersätze, Wiederholungsgeschwindigkeit, Reduktionssätze, Clustersätze, Assistenzübungen, HIIT vs LISS, Isolation vs Compound, Geräte vs Langhantel vs Kurzhantel vs Kabelzug vs Kettlebell vs Flexibar vs Training mit Wasserflaschen. Es ist leicht, den Fokus auf das Wesentliche zu verlieren.

 

Es gibt zehntausende Untersuchungen aus der Sportwissenschaft und der Sportmedizin und unzählige weitere für Trainingsplanung relevante Studien aus den Bereichen Medizin, Biologie, Psychologie, Soziologie und vielen anderen Bereichen der Wissenschaften. Niemand kann da wirklich den Überblick behalten. Doch wie viel Überblick brauchst du überhaupt für deinen Trainingserfolg?

 

Da du diese Artikelreihe bis hierhin überlebt hast, gehe ich davon aus, dass du dich vertieft für das Thema Trainingsplanung interessierst. Vielleicht hast du dich auch schon eine ganze Weile lang in das Thema eingearbeitet. Vermutlich geht es dir dann wie den meisten, die diesen Weg gehen: Du hast das Gefühl, immer weniger zu wissen, worauf es ankommt, je mehr du zum Thema Training liest.

 

Hast du dich schon mal gefragt, warum im Fitnessbereich die sprichwörtlich dümmsten Bauern so häufig die dicksten Kartoffeln, oder in diesem Fall Arme haben? Warum haben die sportwissenschaftlich Interessierten oft Schwierigkeiten, auch nur ein bisschen Muskulatur aufzubauen, während Markus Rühl, der in seinem Leben keine einzige Studie gelesen hat, über 130 kg bei 177cm auf die Olympia Bühne brachte? Wie hat Markus Rühl es geschafft, so auszusehen wie Markus Rühl, ohne je einen Guide über Trainingsplanung gelesen zu haben?

Erfolg ohne Wissenschaft
Ronnie Coleman (links) und Markus Rühl (rechts)

Wir haben uns schon damit befasst, dass jemand, der eine extreme Genetik hat und zusätzlich Steroide benutzt, sehr muskulös aussehen kann, ohne wirklich effektiv zu trainieren. 'Sehr muskulöses Aussehen' ist im Falle der beiden Herren oben aber eine maßlose Untertreibung. So eine Optik ermöglicht nur die Kombination aller drei Faktoren: (a) Genetik, (b) Steroide und (c) das Wissen, worauf es im eigenen Training ankommt.

 

Wer weiß, worauf es im eigenen Training ankommt, ist nicht unbedingt ein guter Coach, hat aber zumindest für sich selbst den richtigen Weg gefunden. Darum geht es in diesem Teil des Guides: Mit welcher Methode hat Markus Rühl herausgefunden, worauf es in seinem Training ankam, während so viele wissenschaftlich interessierte Lifter völlig im Dunkeln tappen?

Paralysis by Analysis

Einer der Gründe, weshalb so viele im Dunkeln tappen, wird im Englischen 'Paralysis by Analysis' genannt und beschreibt die Handlungsunfähigkeit durch übermäßiges Lernen, Planen und Überlegen. Wenn du diese Guide bis hier her durchgehalten hast, dann gehörst du leider zu der von diesem Phänomen gefährdeten Personengruppe.

 

Für die Betroffenen tritt die Suche nach dem perfekten Trainingsplan, der perfekten Methode und der perfekten Übung an die Stelle des eigentlichen Trainings. Sie versuchen, herauszufinden, welche Ziele realistisch sind, in welche Schubladen sie passen, wie der perfekte Split für leicht Fortgeschrittene aussieht, und welche Übung welche Muskelgruppe belastet. und überarbeitest daraufhin deinen Split wieder und schiebst hin und her und fängst von vorne an. Der Teufelskreis sieht folgendermaßen aus:

  • Das Internet nach dem 'perfekten Trainingsplan' durchsuchen.
  • Nicht mit dem Training anfangen, da der perfekte Plan noch nicht gefunden ist.
  • Den eigenen Handgelenksumfang messen. Eine Tabelle aus dem Internet verspricht, anhand des Handgelenkumfangs zuverlässig in 'Hardgainer' und 'Softgainer' einteilen zu können.
  • Das Internet danach durchsuchen, welche Ziele für einen Einsteiger, männlich, Hardgainer realistisch sind, um sich, schon bevor es eigentlich losgegangen ist, Limits zu setzen.
  • Nebenher Blogs, Foren, YouTube, Instagram und Artikel lesen.
  • Innerhalb kurzer Zeit neue Informationen entdecken, dass Übung x besser sei als Übung y und dass Assistenzübung z in jeden Trainingsplan für Hardgainer gehöre.
  • Aufgrund des neuen 'Wissens' den alten Plan verwerfen und einen neuen Plan erstellen.
  • Immer noch nicht trainieren.

Deswegen habe ich diesen Guide so strukturiert, dass ich dir, bevor wir anfangen die einzelnen Stellschrauben der Trainingsplanung im Detail auseinanderzunehmen, direkt sage, wozu wir diese überhaupt auseinandernehmen: Dein Trainingsplan ist einfach nur ein Werkzeug, mit Hilfe dessen du die Belastung steuerst, die du innerhalb deiner Trainingseinheiten erzeugst. Die Trainingsbelastung erzeugt eine bestimmte Menge an Erschöpfung, die. sofern sie groß genug ist, deinen Körper zu einer Anpassung zwingt.

 

Es gibt also auf den ersten Blick nur einen Grund für Stagnation: Die Menge an Erschöpfung, die du aktuell erzeugst, ist zu niedrig. Das ist aber zu simpel gedacht. Die Erschöpfung, die du erzeugst, kann durchaus auch zu hoch oder unproduktiv sein. Damit werden wir uns im nächsten Teil des Guides auseinandersetzen.

 

Sportler wie Markus Rühl haben genau das für sich selbst über Trial & Error herausgefunden. Die Methode lässt sich folgendermaßen runterbrechen:

  • Regelmäßig trainieren, mit dem Ziel, besser zu werden.
  • Das eigene Training dokumentieren.
  • Sobald der Trainingsfortschritt stagniert, ausprobieren, welche Faktoren dafür sorgen, dass es wieder vorangeht.
  • Nach und nach herausfinden, welche Stellschrauben für den Trainingserfolg entscheidend sind.
  • Die Stellschrauben über die Zeit immer feiner auf den optimalen Wert einstellen, um immer bessere Ergebnisse zu erzielen.

Zwei gute Nachrichten

Im Gegensatz zu Arnold und seinen Trainingspartnern, die die Stellschrauben der Belastungssteuerung in den frühen 60er Jahren noch per Trial & Error selbst entdecken mussten, hast du zwei Vorteile. Erstens: Die wichtigen Stellschrauben sind bekannt:

  • Frequenz - Wie häufig solltest du trainieren?
  • Intensität - Wie viele Wiederholungen solltest du pro Satz machen?
  • Anstrengung - Was ist überhaupt ein Satz?
  • Volumen - Wie viele Sätze solltest du trainieren?
  • Selektion und Sequenz - Welche Übungen sollest du in welcher Reihenfolge trainieren?
  • Variation - Wie abwechslungsreich solltest du dein Training gestalten?

Zweitens: Nicht nur die Stellschrauben selbst sind bekannt. Wir können inzwischen auf einen riesigen Pool sportwissenschaftlich erhobener Daten zurückgreifen, um die sechs gelisteten Fragen genauer zu beantworten.

 

Du musst nicht mehr im Dunkeln nach Stellschrauben tasten und in willkürliche Richtungen drehen. Sobald du diesen Guide bis zum Ende gelesen und verstanden hast, siehst du ein beschriftetes Armaturenbrett vor dir. Deine Aufgabe ist dann nur noch die Feinjustierung der einzelnen Stellschrauben.

 

Eine Sache, die alle erfolgreichen Sportler gemein haben, ist die Führung eines Trainingstagebuchs. Die für deinen Trainingserfolg wichtigste Aufgabe, die Feinjustierung der Stellschrauben ist unmöglich, wenn du dein Training nicht dokumentierst. Wie du mit Hilfe deines Trainingstagebuchs Belastung dosierst und Erschöpfung messbar machst, wird das Thema der nächsten Teile dieses Guides sein.

Bessere Gewohnheiten statt bestimmter Zahlen

Wenn es darum geht, langfristig von A nach B zu kommen, sind die meisten von uns intuitiv geneigt, zunächst A und B so genau wie möglich definieren zu wollen. In den letzten beiden Teilen dieses Guides habe ich versucht, so gut wie möglich zu erläutern, weshalb dieses Vorgehen im Training meist nicht zielführend ist.

 

Auch wenn wir es manchmal gern wären, sind wir keine Maschinen. Es gibt kein Computerprogramm, das dir deinen gesamten genetischen Code und deine individuelle Reaktion auf Training entschlüsseln kann. Du weißt nicht genau, wo du stehst und du weißt überhaupt nicht, wo dein Potential liegt. Ein unklarer Ausgangspunkt in Kombination mit einer völlig unklaren Bewegungsgeschwindigkeit von diesem Punkt aus sorgt dafür, dass Zielsetzungen im Training meist nicht mehr als vage Schätzungen sind. Eine Zielformulierung wie: »Ich möchte 100 kg für fünf Wiederholungen beugen«, kann in so einer Situation mehr schaden als nutzen.

 

Wer schon sehr lange trainiert und mit Hilfe seines Trainingstagebuchs eine große Menge an Daten gesammelt hat, weiß recht genau, wo er steht und kann besser einschätzen, was noch möglich ist. Fragt man diese Athleten nach ihren aktuellen Zielen fällt aber auf, dass sie schon lange damit aufgehört haben, sich bestimmte Zahlen als Ziel zu setzen.

 

Wenn du keine Möglichkeit hast, genau zu wissen, was du innerhalb von einem, drei oder fünf Jahren erreichen kannst, ist Vorsicht bei der Zielsetzung geboten. Wenn du dir vornimmst, 10 kg Muskeln in einem Jahr aufzubauen oder 195 kg zu heben, dann ist es extrem unwahrscheinlich, dass du deine Deadline triffst. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wirst du dein Ziel zu früh, zu spät oder niemals erreichen.

 

Wenn du dich genau kennst und weißt, dass dich das Verfehlen einer Deadline überhaupt nicht aus dem Konzept bring, dann ist alles in Ordnung. Ich habe es aber als Coach häufig erlebt, dass Lifter zu viel in zu kurzer Zeit wollen und sich auf feste, nahezu unerreichbar hohe Ziele festlegen wollen. Das führt meist in einen schädlichen Prozess:

  • Du hebst aktuell 120 kg und nimmst dir vor, innerhalb von einem Jahr 200 kg zu heben; Eine Leistungssteigerung von 66% innerhalb von 12 Monaten.
  • Nach drei Monaten ziehst du eine erste Bilanz. 25% der dir zur Verfügung stehenden Zeit sind verstrichen und du hebst jetzt 145 kg, etwa 21% mehr als zum Zeitpunkt deiner Zielsetzung.
  • Nach sechs Monaten hebst du 155 kg, etwa 29% mehr als zum Zeitpunkt deiner Zielsetzung. Dabei sind schon 50% der Zeit verstrichen. Das gefällt dir natürlich überhaupt nicht. In dem Versuch, irgendwie aufzuholen, wirfst du die Prinzipien des intelligenten Erschöpfungsmanagements über Bord und erhöhst deine Trainingsbelastung über das produktive Maß hinaus.
  • Deine Erschöpfung steigt innerhalb kurzer Zeit zu stark an, so dass erste Überlastungserscheinungen wie Immunschwäche auftreten. [1] Du wirst krank und musst mehrere Wochen komplett pausieren. Nach der Pause hebst du 145 kg.

Dieses Beispiel ist so real wie ärgerlich. Obwohl du im Beispiel gute Fortschritte von 29% Leistungssteigerung innerhalb von sechs Monaten gemacht hast, hat der Wunsch nach zu viel in zu kurzer Zeit am Ende Teile deiner Arbeit zunichte gemacht und Zeit und Energie verschwendet.

 

Kannst du innerhalb von einem Jahr 200 kg heben? Wer weiß. So ein Ziel kann mehr Schaden anrichten, als dass es hilft. Aber: Kannst du stattdessen innerhalb von einem Jahr die Gewohnheit aufbauen, statt zwei Mal die Woche vier Mal die Woche zu trainieren? Auf so ein Ziel hast du mehr Einfluss, es birgt weniger Risiken und bringt dich langfristig voran. Genauso hast du in den allermeisten Fällen mehr davon, Junkfood von drei Mal die Woche auf ein Mal die Woche zu reduzieren und dahingehend langfristig eine feste Gewohnheit aufzubauen, als wenn du dir vornimmst, jeden Tag nur noch 1.800 kcal zu dir zu nehmen.

 

Grundsätzlichen bergen spezifische Zahlen als Zielsetzung insbesondere für neue Lifter gewisse Risiken, während du mit dem Ziel, deine Gewohnheiten zu verbessern, kaum etwas falsch machen kannst.

Quellen

[1] Hackney et al., The immune system and overtraining in athletes: clinical implications. Acta Clin Croat. 2012 Dec;51(4):633-41.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23540172