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Autor: Lukas Buschkühl
Es gibt viele Arten, Volumen messbar zu machen. Jedes der gängigen Modelle hat seine Probleme und Tücken. Ich arbeite mit der folgenden Definition:
Dein Volumen ist die Anzahl effektiver Sätze, die du pro Woche pro Bewegungsmuster trainierst.
Effektive Sätze sind Sätze, mit drei bis zwanzig Wiederholungen und null bis drei Wiederholungen im Tank ausgeführt werden. Dieses Modell ist nicht perfekt. funktioniert in der Praxis aber besser als die anderen Modelle, denn:
Wenn du mit diesem Modell einverstanden bist, kannst du die nächsten Abschnitte überspringen und ab 'unproduktives Volumen' weiterlesen. Wenn du dich näher für die gängigsten Methoden, Volumen messbar zu machen, interessierst, folgt ein kurzer Abriss ihrer Stärken und Schwächen.
Nach diesem Modell wird das Trainingsvolumen in Wiederholungen gezählt.
Drei Sätze Bankdrücken mit 20 Wiederholungen: 3x20 = 60 Wiederholungen
Sechs Sätze Bankdrücken mit fünf Wiederholungen: 6x5 = 30 Wiederholungen
Wer dieses Modell vertritt behauptet, dass drei Sätze mit 20 Wiederholungen doppelt so viel Trainingserfolg liefern, wie sechs Sätze mit fünf Wiederholungen.
Einen Beleg für diese Behauptung gibt es nicht. Im Gegenteil: Sechs Sätze mit fünf Wiederholungen liefern in der Praxis bessere Ergebnisse als drei Sätze mit 20 Wiederholungen. Das Modell ist zu weit von der Wahrheit entfernt, um praktisch nützlich zu sein.
Nach diesem Modell wird das Trainingsvolumen in Kilogramm gezählt.
Drei Sätze Frontkniebeuge mit 90 kg für sieben Wiederholungen: 3x7x90 = 1.890 kg
Drei Sätze Beinpresse mit 500 kg für sieben Wiederholungen: 3x7x500 = 10.500 kg
Das Verhältnis des Volumens zwischen Frontkniebeuge und Beinpresse beträgt in diesem Beispiel etwa 5:1. Das ein und der selbe Lifter 90 kg in der Frontkniebeuge und 500 kg auf der Beinpresse schafft ist nicht unrealistisch.
Ronnie Coleman schaffte zu seinen besten Zeiten auf der Beinpresse 1.045 kg für neun Wiederholungen (Volumen: 9.405 kg) und in der Kniebeuge 360 kg für zwei Wiederholungen (Volumen: 720 kg). Das entspricht sogar einem Verhältnis von etwa 13:1. Zwar müssten für die Beinpresse aufgrund des 45° Winkels zur Schwerkraft die Hälfte des Gewichts abgezogen werden, dann bliebe aber immer noch ein Verhältnis von etwa 6:1.
Wer dieses Modell vertritt behauptet, dass die Beinpresse, bei der gleichen Anzahl an Sätzen, mindestens 300% bessere Ergebnisse für den Muskelaufbau liefert, als die Kniebeuge.
Einen Beleg für diese Behauptung gibt es nicht. Auch dieses Modell ist zu weit von der Wahrheit entfernt, um nützlich zu sein.
Nach diesem Modell wird Volumen in effektiven Wiederholungen gezählt. Als effektive Wiederholungen gelten die letzten fünf Wiederholungen eines Satzes vor dem Muskelversagen. Dieses Modell ist deutlich besser als Modell 1 und 2, da es Anstrengung und Intensität berücksichtigt.
Kniebeuge 1x3 90 kg T0 = 3 effektive Wiederholungen
Kniebeuge 1x3 85 kg T2 = 3 effektive Wiederholungen
Kniebeuge 1x5 85 kg T0 = 5 effektive Wiederholungen
Kniebeuge 1x5 80 kg T2 = 3 effektive Wiederholungen
Kniebeuge 1x10 60 kg T3 = 2 effektive Wiederholungen (A)
Kniebeuge 1x10 65 kg T0 = 5 effektive Wiederholungen (B)
Die Idee dahinter ähnelt der Idee hinter dem Modell der effektiven Sätze: Muskel- und Kraftzuwächse werden dadurch erzwungen, dass sämtliche Fasern eines Muskels am Ende des Satzes erschöpft sind.
Darüber hinaus liefert dieses Modell eine Erklärung dafür, dass längere Satzpausen zu besseren Kraft- und Muskelzuwächsen führen und, dass Sätze mit nur ein oder zwei Wiederholungen suboptimale Ergebnisse für Muskelaufbau liefern.
Die in Teil 7 des Guides gelisteten Untersuchungen haben belegt, dass nicht bis ans Muskelversagen trainiert werden muss, um alle Fasern der an einer Übung beteiligten Muskulatur zu erschöpfen. Das ist inzwischen auch durch Elektromyografie (EMG) Untersuchungen belegt. [1, 2, 3]
Laut dem Modell der effektiven Wiederholungen würde Satz (A) aus der Liste oben weniger als die Hälfte der Effekte für Kraft- und Muskelaufbau liefern wie Satz (B). Die Studienlage belegt aber genau das Gegenteil: Sätze bis zum Muskelversagen liefern keine besseren Ergebnisse als Sätze, die ein paar Wiederholungen vor dem Muskelversagen beendet werden. [4, 5, 6, 7, 8, 9, 10]
Die Probleme des Modells der effektiven Wiederholungen werden noch offensichtlicher, wenn man sich die Trainingsmethode 'Myoreps' ansieht. 'Myoreps' wurde von Borge Fagerli auf Basis des Modell der effektiven Wiederholungen entwickelt. Wenn das Modell der Wahrheit entspräche, wäre Myoreps zehn mal effizienter als herkömmliches Training.
Beim Myorep Training wird der erste Satz mit 15 Wiederholungen bis zum Muskelversagen ausgeführt und danach eine sehr kurze Satzpause von etwa fünf Atemzügen gemacht. Diese Pause ist so kurz, dass keine vollständige Erholung stattfinden kann. Dann werden fünf Wiederholungen mit dem gleichen Gewicht gemacht, gefolgt von etwa fünf Atemzügen Pause, dann wieder fünf Wiederholungen und so weiter.
Da der Muskel sich in der kurzen Pause kaum erholt, enden die fünf Wiederholungen trotz des geringen Gewichts, das zu Beginn noch für 15 Wiederholungen bewegt werden konnte, immer wieder nah am Muskelversagen. Die Idee dahinter ist, dass in jedem dieser Sätze alle Muskelfasern erschöpft werden, so dass alle fünf Wiederholungen als effektive Wiederholungen zählen.
Kniebeuge 15 - 5 - 5 - 5 - 5 mit 50 kg.
Fünf Myorep Sätze, Zeitaufwand etwa 3 Minuten
...müssten demnach die gleichen Effekte liefern wie:
Kniebeuge 5 - 5 - 5 - 5 - 5 mit 85 kg.
Fünf herkömmliche Sätze bis zum Muskelversagen, Zeitaufwand mindestens 30 Minuten
Das Modell der effektiven Wiederholungen ist zwar besser als die beiden oben geprüften Modelle, wenn man es aber Anhand von Myoreps auf die harte Probe stellt, hält es nicht stand: Drei Minuten Myorep Training liefern nicht die gleichen Effekte für Muskelaufbau wie 30 Minuten herkömmliches Training.
Darüber hinaus ist das Modell der effektiven Wiederholungen kompliziert in seiner Handhabung. Sich nach jedem Satz zu fragen, wie viele Wiederholungen wirklich effektive Wiederholungen waren und alle effektiven Wiederholungen aller Sätze per Strichliste über die Woche zusammenzuzählen ist viel aufwändiger als effektive Sätze zu zählen.
Darüber hinaus vermittelt dieses Modell die Idee, dass nur Training bis zum Muskelversagen wirklich effizient sei. Das entspricht aber nachweislich nicht der Wahrheit und erhöht unnötig das Verletzungsrisiko im Training.
Nach diesem Modell wird Volumen in effektiven Sätzen gezählt. Als effektive Sätze in diesem Sinne gelten Sätze mit drei bis zwanzig Wiederholungen, die null bis drei Wiederholungen vom Muskelversagen entfernt sind. Das Modell berücksichtigt Intensität und Anstrengung und ist einfach in der Handhabung.
Kniebeuge 3x8 70 kg T1 = 3 effektive Sätze
Kniebeuge 3x5 65 kg T6 = 0 effektive Sätze
Kniebeuge 3x1 100 kg T0 = 0 effektive Sätze
Selbstverständlich hat auch dieses Modell Probleme und entspricht auf keinen Fall Eins zu Eins der Wahrheit. Die Grenzen sind fließend. Auch Sätze mit nur einer Wiederholung und Sätze mit 35 Wiederholungen werden kleine Mengen an Muskelaufbau erzeugen. Das Gleiche gilt für Sätze mit mehr als drei Wiederholungen im Tank.
Es geht bei diesem Modell aber letztendlich darum, den Rahmen abzustecken, in dem Training den größten Effekt hat. Das ist möglich, da uns inzwischen genügend wissenschaftlich erhobene Daten zur Verfügung stehen. Sätze mit 5-20 Wiederholungen bei T1-3 liefern nach dieser Datenlage bessere Effekte für Muskelaufbau als Sätze in anderen Bereichen.
Das Modell der effektiven Sätze ist gut vereinbar mit dem Fakt, dass Training bis zum Muskelversagen nicht notwendig ist. Der Hauptvorteil des Modells ist allerdings, dass es das Zählen und Dokumentieren des Volumens einfacher macht als alle anderen Modelle.
Regelmäßige Belastung mit adäquater Intensität und Anstrengung sorgt dafür, dass du stärker und muskulöser wirst. Je widerstandsfähiger du durch diese Methode wirst, desto widerstandsfähiger siehst du aus. Deswegen sehen Profisportler aus wie Profisportler.
Das heißt nicht, dass du direkt von Beginn an so viele Sätze wie möglich pro Woche machen solltest. Weshalb das nicht sinnvoll ist, erkennst du am Beispiel des German Volume Training (GVT).
GVT ist ein im Internet beliebter Trainingsplan, der für nahezu alle Lifter ungeeignet ist. Du trainierst dabei beispielsweise zehn Sätze Bankdrücken im Wechsel mit zehn Sätzen Langhantelrudern mit jeweils zehn Wiederholungen. Eine adäquate Intensität für zehn Wiederholungen wäre für die meisten Trainierenden etwa 65%1RM. Da kaum ein Lifter zehn Sätze Bankdrücken am Stück mit effektiver Intensität und Anstrengung trainieren kann, wird so viel Gewicht von der Stange genommen, dass es möglich wird.
Statt mit 65%1RM wird also mit etwa 30-45%1RM trainiert. Das bedeutet, dass bei den ersten Sätzen mehr als zehn Wiederholungen im Tank bleiben. Das heißt, dass mindestens die ersten fünf Sätze völlige Zeitverschwendung sind und wenn überhaupt nur der Vorermüdung dienen. Zehn Wiederholungen mit einem Gewicht, dass so leicht ist, dass du über zwanzig Wiederholungen machen könntest, sind Aufwärmsätze. Erst die letzten Sätze werden durch die Vorermüdung der ineffektiven vorherigen Sätze schwer genug, dass nur noch drei bis null Wiederholungen im Tank sind. Erst diese letzten Sätze haben einen Effekt. Statt sieben ineffektiven und drei effektiven Sätzen hätte man besser nur drei effektive Sätze trainiert.
Als Arbeitssätze in deinem Training zählen einzig und allein Sätze, die mit einer Anstrengung von null bis drei Wiederholungen im Tank ausgeführt wurden. Aufwärmsätze oder Vordermüdungssätze zählen nicht zu deinem Volumen. So machst du dein Volumen messbar und kannst deine Erschöpfung intelligent managen. So findest du die Dosis an Belastung, die du für stetige Fortschritte brauchst:
Du misst deine Belastung in Arbeitssätzen pro Woche.
Als Einsteiger werden drei Sätze Kniebeuge pro Woche völlig ausreichen, um Fortschritte zu machen. Um etwas schnellere Fortschritte zu machen, kannst du Sätze hinzufügen.
Wenn du in einem beliebigen Online Forum mitteilst, dass deine Leistung im Krafttraining stagniert und fragst, wie du wieder vorankommen kannst, bekommst du immer die gleiche Antwort: »Du musst Mehr essen.«
Wer diesem Rat schon einmal gefolgt ist, sieht relativ schnell: Du wirst nicht stärker indem du mehr isst. Wenn du mehr isst wirst du einfach nur schwerer. Du wirst stärker indem du mehr trainierst. Wenn du mehr isst, ohne gleichzeitig auch mehr zu trainieren, wird das neue Zusatzgewicht ganz sicher keine Muskulatur sein.
Wenn du mit fünf und zwanzig Wiederholungen und ein bis drei Wiederholungen im Tank trainierst und trotzdem keine Fortschritte machst, liegt es schlicht und einfach daran, dass du zu wenig Sätze pro Woche machst.
Weil niemand diesen simplen Fakt hören möchte, lässt sich Bullshit wie »Du musst weniger trainieren, um bessere Fortschritte zu machen« in der Fitnessbranche so gut verkaufen. Die meisten Einsteiger, die nach ein paar Monaten Training stagnieren, fallen darauf herein, und treten teilweise jahrelang auf der Stelle.
Dass jemand wirklich zu viel trainiert, um Fortschritte zu machen, ist wirklich selten. Wenn dieses Phänomen auftritt, dann betrifft es niemals Einsteiger, sondern hochambitionierte Wettkampfsportler und geht immer mit chronischen Überlastungserscheinungen und Verletzungen einher.
Notwendig wird die Erhöhung deines Volumens erst dann, wenn du bei einem Bewegungsmuster über mehrere Wochen stagnierst. Die Erhöhung deines Volumens wird dann nur für genau das Bewegungsmuster notwendig, das stagniert. Wenn deine Kniebeuge stagniert, hast du nichts davon, mehr Sätze Bankdrücken pro Woche zu machen. Füge einfach mehr Beugebewegungen hinzu. Für den Muskelaufbau ist es dabei egal, ob du die zusätzlichen Sätze in der Frontkniebeuge, Highbar Kniebeuge, Lowbar Kniebeuge, Beinpresse oder Ausfallschrittkniebeuge machst.
Die Formel für deinen Trainingsfortschritt ist tatsächlich so simpel, wie sie sich anhört:
Der sogenannte Repeated Bout Effect besagt, dass etwas einen immer geringeren Einfluss auf uns hat, je häufiger wir es tun. [3] Wenn du bisher nur auf der Couch gesessen hast, werden dich schon drei Liegestütz ein kleines bisschen stärker und muskulöser machen. Ein paar Wochen später nicht mehr. Der Grund dafür ist, dass du jetzt ein bisschen stärker und muskulöser bist.
Der Satz: »Das passiert mir immer! Ich ändere eine Gewohnheit, mache eine Zeit lang Fortschritte und stagniere dann.«, ist immer wahr. So funktioniert Training. Da nur Wenige hören wollen, dass sie mehr machen müssen, sobald sie stagnieren, wird der Repeated Bout Effect in der Fitnessbranche gern bewusst falsch verstanden.
Dir wird dann gesagt, du müsstest deinen Trainingsplan alle sechs Wochen umstellen. Dir wird empfohlen, die Übungen auszutauschen, weil dein Körper sich an die Übungen gewöhnt habe. Das ist Unsinn.
Du stagnierst nicht, weil du dich an das Bewegungsmuster des Kniebeugens gewöhnt hast. Du stagnierst, weil du dich an drei effektive Sätze Kniebeuge pro Woche gewöhnt hast.
Nicht die Art der Belastung muss sich ändern, sondern die Menge der Belastung. Da Intensität und Anstrengung über deine gesamte Trainingskarriere hinweg auf dem gleichen Niveau bleiben, erhöhst du die Belastung, indem du mehr Arbeitssätze pro Woche trainierst als vor der Stagnation.
Die interessanteste Studie zur Frage »Wie viel Volumen ist zu viel?« teilte Probanden in vier Gruppen auf. [11]
Das Ergebnis war eine ∩-förmige Kurve für das Verhältnis von Dosis zu Trainingserfolg in Form von Kraft- und Muskelzuwächsen. Das heißt, dass die Gruppen mit 10 bis 15 Sätzen pro Woche über den Studienzeitraum von 24 Wochen die besten Erfolge verbuchen konnten.
Ein großer Pluspunkt im Studiendesign ist die Auswahl der Probanden. Das Ergebnis kann nicht dadurch abgetan werden, dass die Gruppen nur aus Einsteigern bestanden, für die selbst ein moderates Volumen schon zu viel gewesen wäre. Alle Probanden haben vor Studienbeginn mindestens drei Jahren ohne längere Unterbrechung mindestens drei Einheiten pro Woche trainiert und konnten ihr eigenes Körpergewicht für mindestens 10 Wiederholungen auf der Bank drücken.
Drei Probanden schieden vorzeitig aus der Untersuchung aus. Alle drei waren Gruppe D zugeteilt, die 20 Sätze pro Woche pro Muskelgruppe trainierten. Das ist ein Hinweis darauf, dass ein sehr hohes Volumen eher dazu führt, dass Lifter den Spaß am Training verlieren und aufgeben oder ausbrennen. Das deckt sich mit den Erfahrungen aus dem Trainings- und Coachingalltag.
Es gibt aber ein entscheidendes Problem im Studiendesign. Das gesamte Trainingsvolumen für die gesamte Woche wurde in einer einzigen Einheit gemacht. Zwanzig Sätze für eine Muskelgruppe in einer einzigen Einheit führt für nahezu alle Lifter sehr schnell in ein Level an Erschöpfung, auf dem keine effektiven Sätze mehr möglich sind.
Eine Metaanalyse untersuchte das Muskelwachstum, das in unterschiedlichen Studien aus unterschiedlichen Anzahlen von Sätzen pro Muskelgruppe pro Woche beobachtet wurde. [12] Die Prozentangaben zeigen das zusätzliche Muskelwachstum bei der jeweiligen Anzahl von Arbeitssätzen im Vergleich zu einem einzigen Set an.
Die Kurve verläuft also nicht linear, sondern logistisch. Das heißt, dass du ab einem gewissen Punkt immer mehr und mehr trainieren musst für immer weniger und weniger zusätzliche Ergebnisse. Dass der Trainingserfolg irgendwann sogar rückläufig ist, sollte nicht weiter verwundern. Auf den gelben Bereich der Erschöpfung folgt der rote Bereich, in dem immer mehr und mehr der Kapazitäten des Körpers in die Regeneration fließen müssen. So bleiben immer weniger Kapazitäten für die Superkompensation, den Leistungsaufbau über das vorherige Level hinaus.
Natürlich gelten diese Ergebnisse nicht pauschal für jeden Lifter. Acht Arbeitssätze liefern nicht für jeden Trainierenden schlechtere Ergebnisse als sieben Arbeitssätze. Wenn jemand, dessen Körper sich an drei Arbeitssätze gewöhnt hat, als Studienproband plötzlich mit acht Arbeitssätzen konfrontiert wird, dann wird er damit im roten Bereich der Erschöpfung landen.
Jemand, dessen Körper sechs Sätze gewohnt ist, würde mit acht Sätzen bessere Fortschritte machen als mit sechs. Was die Metaanalyse jedoch eindeutig zeigt; und das deckt sich mit den Praxiserfahrungen von Profisportlern und Coaches, ist ein simples Prinzip: Je fitter du bist, desto mehr Zeit und Energie musst du investieren, um noch fitter zu werden.
Das Ziel der langfristigen Trainingsplanung ist also immer, die effektive Dosis zu finden, nicht die höchstmögliche Dosis. Du hast nichts davon, dich in den roten Bereich zu trainieren.
In diesem Beispiel kann der Lifter sieben effektive Sätze Kniebeugen pro Woche problemlos wegstecken. Das ist sein Belastungswiderstand (blau), den er sich durch regelmäßiges Training erarbeitet hat. Wenn seine sechs Sätze pro Woche macht, ist der Belastungswiderstand seines Körpers höher als die Belastung (rot), der er tatsächlich ausgesetzt ist. Daraus kann keine weitere Adaption resultieren.
Der Lifter erhöht sein Volumen auf acht Sätze Kniebeuge pro Woche. Die Belastung übersteigt jetzt seinen Belastungswiderstand, so dass ausreichend Erschöpfung (gelb) für die nächste Anpassung erzeugt wird.
Die Anpassung erhöht den Belastungswiderstand von sieben auf acht Sätze Kniebeuge pro Woche. Der Lifter ist ein bisschen stärker und muskulöser geworden. Wenn die Belastung bei acht Sätzen Kniebeuge pro Woche bleibt sind keine weiteren Anpassungen mehr zu erwarten.
Wie lange es dauert, bis durch eine Belastung von 8 aus einer Widerstandsfähigkeit von 7 eine Widerstandsfähigkeit von 8 wird, hängt hauptsächlich von zwei Faktoren ab:
Wie das Modell im letzten Abschnitt zeigt, geht es darum, die notwendige Dosis an Erschöpfung zu generieren. Die Trainingsbelastung in Form von Volumen ist nur das Mittel zum Zweck, dieses Level an Erschöpfung zu erreichen. Es ist wichtig, den folgenden Grundsatz dabei nicht aus den Augen zu verlieren:
Ein und das selbe Volumen erzeugt für unterschiedliche Lifter unterschiedliche Level an Erschöpfung.
Untersuchungen zu diesem Thema gibt es bisher nicht (Stand Juni 2020), die Praxiserfahrung zeigt aber im Durchschnitt folgende Ansätze:
Da du jetzt verstehst, wie Training grundsätzlich funktioniert, kannst du einschätzen, welche Ziele für dich persönlich sinnvoll sind. Um immer besser zu werden, musst du immer mehr und mehr trainieren, daran führt kein Weg vorbei. Je höher du deine Ziele gesteckt hast, desto mehr und mehr wirst du schließlich für immer kleinere Fortschritte trainieren müssen.
Für Profisportler mit der entsprechenden Genetik mag es durchaus sinnvoll sein, das Limit auszureizen. In der Weltspitze kann eine Leistungssteigerung von 0,3 % den Unterschied zwischen dem ersten und dem vierten Platz ausmachen. Wenn du einfach fit, stark und gesund sein willst, sieht das Kosten-Nutzen-Verhältnis für dich anders aus.
Sobald du fünf Jahre lang mit Sinn und Verstand auf Leistung trainiert hast befindest du dich an einem Punkt, an dem du mit sehr viel Aufwand noch etwa 500 Grammm Muskulatur im Jahr aufbauen kannst. Gleichzeitig kannst du das Level, das du dir dann schon erarbeitet hast, mit deutlich weniger Aufwand halten, als nötig war, um dieses Level erst mal zu erreichen.
Wie viel Zeit und Energie bist du bereit, in 500 Gramm Muskulatur zu investieren? Wir reden hier zum Beispiel von 5 Sätzen Kniebeuge zum Leistungserhalt im Vergleich zu 20 Sätzen zur weiteren Leistungssteigerung. Welchen Weg du am Ende gehen willst, entscheidest du selbst.
[1] Van den Tillaar et al., Comparison of muscle activation and kinematics during free-weight back squats with different loads. PLoS One. 2019 May 16;14(5):e0217044.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31095625
[2] McBride et al., Effect of absolute and relative loading on muscle activity during stable and unstable squatting. Int J Sports Physiol Perform. 2010 Jun;5(2):177-83.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20625190
[3] Król et al., Effect of Barbell Weight on the Structure of the Flat Bench Press. J Strength Cond Res. 2017 May; 31(5): 1321–1337.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5400411/
[4] Nobrega et al., Is Resistance Training to Muscular Failure Necessary? Front Physiol, 2016.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4731492/
[5] Martorelli et al., Strength Training with Repetitions to Failure does not Provide Additional Strength and Muscle Hypertrophy Gains in Young Women. Eur J Transl Myol, 2017.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28713535
[6] Davies et al., Effect of Training Leading to Repetition Failure on Muscular Strength: A Systematic Review and Meta-Analysis. Sports Med, 2016.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26666744
[7] Willardson et al., Training to Failure and Beyond in Mainstream Resistance Exercise, Str Con Jour, 2010.
https://thekeep.eiu.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=1030&context=kss_fac
[8] Khamoui et al., Is Training to Failure a Safe and Effective Method for Improving Athletic Performance?, Kin Sports Studies, 2011.
https://pdfs.semanticscholar.org/9ce9/1c9ac43857b099529cf71b748c72f16a7be5.pdf
[9] Sampson et al., Is repetition failure critical for the development of muscle hypertrophy and strength? Scand J Med Sci Sports, 2016.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25809472
[10] Schoenfeld et al., Does Training to Failure Maximize Muscle Hypertrophy? Str Con Jour, 2019.
[11] Barbalho et al., Evidence of a Ceiling Effect for Training Volume in Muscle Hypertrophy and Strength in Trained Men - Less is More? Int J Sports Physiol Perform. 2019 Jun 12:1-23.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31188644
[12] Peterson et al., Applications of the dose-response for muscular strength development: a review of meta-analytic efficacy and reliability for designing training prescription. J Strength Cond Res. 2005 Nov;19(4):950-8.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16287373
[13] Ralston et al. (2017). The Effect of Weekly Set Volume on Strength Gain: A Meta-Analysis. Sports Med., Vol. 47(12), S. 2585-2601.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28755103
[14] Schoenfeld et al. (2017). Dose-response relationship between weekly resistance training volume and increases in muscle mass: A systematic review and meta-analysis. J. Sports Sci., Vol. 35(11), S. 1073-1082.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27433992
[15] Hyldahl et al. (2017) Mechanisms and Mediators of the Skeletal Muscle Repeated Bout Effect, Exerc Sport Sci Rev.